Sonntagsgeschehnisse

Sonntag, die FIBO. Brechend voll. Das Who’s Who der Fitness-Szene.

Ich lass mich treiben, wie schon die vergangenen Tage zuvor. Irgendwie merkwürdig wie wenig ich hier rein passe, obwohl mir ständig der Satz „… aber du studierst das doch“ zugeworfen wird. Gesundheitsmanagement hat für mich wenig mit eingeölten und stahlharten Muskeln zu tun. Es tut weh wenn man gegen so eine Muskel-Mauer läuft, weiß ich nun aus Eigenerfahrung.

Über meinem Kopf fliegen bunte BCAA’s. Supplements – ein Aminosäuren-Kombination. Alle Arme recken und strecken sich, um so viele Miniatur-Probepäckchen wie möglich zu ergaunern. Rosenmontags-Umzug für Erwachsene auf Steroiden. Mir fällt eins vor die Füße. Ich hebe es aus Reflex auf. Böser Blick auf neun Uhr. Die ehemalig weibliche Gestalt schaut mich schräg unter ihrer rosa Cappie an. Ich habe in ihrem Revier gewildert, wie es scheint. Den selben Blick ernte ich heute nicht zum letzten Mal. Dann lasse ich mich wieder treiben. Weg von meiner Gruppe und meinem Menschen, der mich dabei haben wollte.

Nach der hundertsten Eiweißriegel-Verkostung habe ich dann mein Ziel erreicht. Mir ist nun genauso schlecht im Magenbereich wie im Kopf. Fühlt sich nun ausgeglichener an. Wobei meine Begleitung und Irgendwie-Freundin Lea immer weiter an meinen Nerven zieht. Ihr Dauerthema, ihr langweiliger Freund und ihre kleinkarrierte Liebelei mit ihm. Sie ist alles was ich in dieser Hinsicht verachte. Das Heimchen am Herd. Viel gemeinsam haben beide nicht, er will mit ihr wenig unternehmen, ihr macht das nichts aus, sie macht Zugeständnisse während er zu oft Nein sagt. Hauptsache Lea wartet im Kinderzimmer von Hotel-Mama und hält das Bett warm, wie ein Golden Retriever ohne Eigenleben. Optisch verwahrlosen beide immer mehr. Er wird immer fetter und sie geht scheinbar Kamm und Pflegeprodukten immer mehr aus dem Weg. Und das größte Problem von ihr ist es, bei wem heute übernachtet wird. Und da wird auch nur geschlafen.

Schlafen. Etwas was ich immer weniger tue. Entweder weil ich an die Wand getackert werde, oder weil mir die Luft abhanden kommt und ich flüchten will, wenn ich im Augenwinkel diesen wahnsinns Kerl schlafen sehe.

Er läuft vor mir. Und wird von Lea ermahnt, der muskulösen Botox-Silikon-Mischung nicht so auf den Arsch zu glotzen, er habe ja eine Freundin. Seit wann hat der denn eine Freundin? Dann viel mir ein, sie meint mich. Eklig. Ich schaute mir dann lieber den Hintern der eben erwähnten Kreatur an. Wow nicht schlecht. Zehn Minuten später klebe ich sabbernd vor einer Athletik-Show. Auch ich werde ermahnt von Lea. Dann wird sie von Kathrin kommentiert. Schauen darf man doch. Appetit kann man sich ja holen, gegessen wird dann Zuhause. Fand ich witzig.

Die bunten Probe-Päckchen mit allerlei chemischen Kreuzungen karnevalierten erneut durch die Lüfte. Ich ließ mich wieder treiben, weg von dem Trubel, obwohl ich immer tiefer hineingezogen wurde. Verrückt.

2 Kommentare zu „Sonntagsgeschehnisse

  1. „karnevalieren“, das hat schon Schmidt’sche Qualität!
    Irgendwie bin ich froh, dass ich da nicht hin musste – aber mit deinen Kommentaren im Ohr …?

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